Geschichte

Frauen in der Medizin: unser Fokus seit über 90 Jahren

Als Einzelkämpferinnen mussten sie sich in Berufen behaupten, die nur Männern vorbehalten waren: die ersten Medizinerinnen. Das Bedürfnis, sich mit Kolleginnen auszutauschen und gemeinsam geschlechtsspezifische Probleme anzugehen, entstand erst nach und nach. Schliesslich erwuchs daraus vor über 90 Jahren die VSÄ, die «Vereinigung Schweizer Ärztinnen», unsere Vorläuferin.

Russinnen bahnen vor, Schweizerinnen ziehen mit

Erst 1867 wurden die ersten Studentinnen in Zürich zum Medizinstudium zugelassen, es waren Russinnen. Im Jahr darauf immatrikulierte sich mit Marie Heim-Vögtlin die erste Schweizerin. Bald folgte Caroline Farner, die 1874 als zweite Schweizer Ärztin promovierte. Obwohl von da an mehr und mehr Frauen Medizin studierten und als Ärztinnen praktizierten, kannten sie einander kaum.

Was fehlte, war eine schweizerische Vereinigung. So schlossen sich viele Schweizer Ärztinnen der «Medical Women’s International Association» MWIA an. 1922 organisierten sie den ersten MWIA–Kongress in Genf und gaben damit den Startschuss für die mws ärztinnen schweiz. Die damals aktiven Frauen rekrutierten sich aus einer 45-köpfigen Zürcher Gruppe und Einzelmitgliedern aus Bern, Genf, Lausanne und Winterthur.

Ab 1956: über 100 Mitglieder und viele Aktivitäten

34 Jahre später, 1956, war die Schweiz erneut Gastland für den MWIA-Kongress. Die Vereinigung zählte nun 106 Mitglieder und organisierte neben wissenschaftlichen Vorträgen – meist in Zürich oder Luzern – auch eine jährliche Generalversammlung mit kulturellem Angebot.

1958 trat die Vereinigung mit einem Ausstellungspavillon an der «2. Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit» SAFFA auf. 1960, dem «Jahr der geistigen Hygiene», entstanden unter Mitarbeit der Vereinsmitglieder diverse Radiovorträge zum Thema «Aus der Sprechstunde der Nervenärztin».

Aus wirtschaftlichen Gründen konnten in jener Zeit nur wenige Ärztinnen an internationale Kongresse der MWIA reisen oder sich bei der WHO engagieren – primär wohlhabendere, nicht berufstätige Medizinerinnen.

Verjüngung und Ausrichtung auf das Berufsumfeld

Ende der 70er-Jahre gewann der Verein vermehrt jüngere Kolleginnen. Die guten Kontakte zur MWIA blieben, doch das Hauptaugenmerk richtete sich nun auf Probleme in der Weiterbildung und den Schweizer Arbeitsmarkt der Ärztinnen.

Der Verein setzte sich dafür ein, Teilzeittätigkeit und Jobsharing praktisch umzusetzen und zu fördern. Wir nahmen 1981 Kontakt mit allen Klinikleitern auf, erstellten ein umfangreiches Verzeichnis der vorhandenen und potentiellen Teilzeitstellen und richteten eine Teilzeitstellen-Börse ein. Sie wird – mit einigen Anpassungen – bis heute weiter geführt.

1983 erschien das Buch «Schweizer Ärztinnen: eine Studie über ihre berufliche und familiäre Lage», gemeinsam verfasst von Prof. Dr. Ursula Ackermann-Liebrich, der damaligen Präsidentin und Leiterin der Abteilung für Sozial- und Präventivmedizin an der Universität Basel, Dr. Karen Gerber und Dr. Maria Lachenmeier. Viele der Ergebnisse sind auch gegenwärtig noch aktuell.

Sozialpolitik wird wichtig – und zum Inhalt

Steigende Mitgliederzahlen erlaubten es der Vereinigung, sich auch bei sozialpolitischen Themen zu engagieren, so bei der Revision des Sexualstrafrechtes und der Vernehmlassung zur Initiative «Recht auf Leben/Fristenlösung» oder des neuen Eherechtes. Ab 1984 veröffentlichte die Vereinigung in der Schweizerischen Ärztezeitung in loser Folge Stellungnahmen und Informationen zu aktuellen Themen. Diese Beiträge, kombiniert mit direkten Interventionen bei der FMH, verhalfen zur Anerkennung von Teilzeitstellen in der Weiterbildung und führten 1987/1988 zu über 40 % mehr Mitgliedern.

GV in der Romandie, neue Sektionen und Treffpunkte

1990 fand die Generalversammlung nach 15 Jahren erstmals wieder in der Romandie statt. 1997 konstituierte sich eine Sektion in Zürich, 1998 die Sektion Zentralschweiz. Es entstanden Stammtische in Basel, Bern, Zürich, Winterthur, Fribourg, Chur und im Tessin. Viele dieser Treffpunkte bestehen bis heute.

Ein Forschungsprojekt zeigt Karriere-Barrieren

1993 wurde im Auftrag der VSÄ von der damaligen Präsidentin, Dr. Therese Augsburger Dölle, ein Forschungsprojekt zum Thema «Karrierewünsche und Karrierehindernisse von Schweizer Ärztinnen und Ärzten» durchgeführt. Die Ergebnisse, 1996 unter dem Titel «Die Förderung der Einseitigkeit» publiziert, zeigten eindrücklich die inneren und äusseren Barrieren im Hinblick auf eine ärztliche Karriere. Doch nicht immer waren alle Mitglieder mit dem Vorgehen ihrer Vereinigung einverstanden. So kam es nach dem Engagement für die Fristenregelung 2003 zu fast 10 % Protest-Austritten.

Gegen Allmachtsansprüche und ein neuer Name für die Zukunft

Anfang der 2000er-Jahre machte der Verein die Allmachtsansprüche in der Medizin zum Thema. Wir forderten, diese zu erkennen und aufzugeben, und einen massvollen Umgang mit eigenen und fremden Ressourcen zu pflegen.

Ab 2004 zeigte sich mehr und mehr, dass unser Name nicht mehr den aktuellen Bedürfnissen entsprach und angepasst werden musste – auch um unsere Vereinigung bei Studienabgängerinnen und jungen Assistenzärztinnen bekannter zu machen. Aus diesem Wunsch wurde im Februar 2005 die Bezeichnung «mws ärztinnen schweiz» geboren.

Ab 2012: Ärztinnen sind die Mehrheit, wir aktueller denn je

Die FMH-Ärztestatistik 2012 offenbarte es: In der Gruppe der 25- bis 34-Jährigen waren mehr Frauen als Männer vertreten. Und 2012 wurden mit 51.5 % erstmals mehr Weiterbildungstitel an Frauen als an Männer verliehen. Gleichzeitig waren nur gerade 9 % der Chefarztposten von Frauen besetzt. Grund genug, sich auch weiterhin für die Anliegen von uns allen stark zu machen.


Nach oben scrollen